n unmittelbarer Nähe der Verbandstoff-Fabrik Kalff in Euskirchen-Rheder ereignete sich - in der Adventszeit 1944 - vom heutigen Standpunkt aus gesehen eine Tragödie. Es mag sein, daß überzeugte Nationalsozialisten mit eisernem Durchhaltewillen dies damals anders interpretierten. Zwei 18-jährige junge Soldaten wurden wegen wiederholter Fahnenflucht standrechtlich erschossen.
Bis in die fünfziger Jahre hinein befanden sich beide Gräber unmittelbar am Bahndamm: zwei schlichte Holzkreuze, auf deren Spitzen Stahlhelme ruhten. Am Boden standen Schilder, die Auskunft über die Toten gaben. Es handelt sich um Dieter Frosien aus Berlin-Schöneberg und Helmut Pundt aus Oldenburg.
Die Frau des Werkmeisters Beheng pflegte jahrelang die beiden Grabstätten, bis diese, auf Initiative der Deutschen Kriegsgräberfürsorge hin, auf den Münstereifeler Heldenfriedhof verlegt wurden. Es sei darauf hingewiesen - und der Stotzheimer Adolf Schmitz bestätigt dies immer wieder -, daß die Bevölkerung der umliegenden Dörfer immer für den Grabschmuck gesorgt hat.
Die
Soldatengräber bei Rheder
Der vorliegende Bericht basiert auf den Recherchen Euskirchener Lokal-Journalisten und einem 1951 geführten Interview mit dem Stotzheimer Pfarrer Tillmann: Am Nachmittag des 14. Dezember 1944 sprach bei dem Pfarrer von Stotzheim ein Offizier vor, der sich als Kriegsgerichtsrat auswies. Er bat ihn, zwei Soldaten auf ihrem letzten Gang das Geleit zu geben. Es handelte sich zwar um protestantische Männer, doch der zuständige Divisionspfarrer war nicht erreichbar.
Da die beiden jungen Männer sich von der Truppe entfernt hatten, waren sie zum Tode verurteilt worden. Pfarrer Tillmann fand sie in einem kahlen Raum der Fabrik Kalff, wo sie gerade eine Henkersmahlzeit zu sich nahmen. Diese bestand aus einigen mit Rübenkraut bestrichenen Broten und einem Päckchen Zigaretten.
Pfarrer und Verurteilte blieben allein. Eine halbe Stunde war für den geistlichen Zuspruch zugesagt worden.
Man kann sich vorstellen, wie schnell die Zeit dahinrann. Dieter Frosien und Helmut Pundt überreichten dem Stotzheimer Pfarrer ihre letzte Habe, die u.a. aus Zigaretten bestand und für die Kameraden gedacht war. Jeder hatte einen Brief an die Eltern verfaßt. Pfarrer Tillmann wurde jedoch gebeten, die Schreiben erst nach dem Weihnachtsfest auszuhändigen.
Einer der beiden verurteilten Männer hatte in den Tagen der Untersuchungshaft Muße gefunden, sein kurzes Leben in Dichtung und Bild zu beschreiben. Dieses Büchlein, das übrigens eine über dem Durchschnitt liegende zeichnerische Begabung aufwies, blieb für den Pfarrer eine bleibende Erinnerung. Adolf Schmitz hat sich im Stotzheimer Pfarrarchiv umgesehen, konnte aber dieses Dokument nicht mehr finden. Wahrscheinlich stammte es von Helmut Pundt und konnte den Angehörigen ausgehändigt werden.
Um 16 Uhr, als am winterlich kahlen Himmel viele Jabos Straßen und Ortschaften absuchten und Bomben auf die Voreifelorte warfen, erschien das Kommando vor dem kahlen Fabrikraum. Der Offizier, der die Exekution leitete, trat ein und forderte die Verurteilten auf, ihm zu folgen.
Auf einem kleinen Wiesengrundstück zwischen Wald und Schienenstrang stand das Exekutionskommando. Helmut Pundt aus Oldenburg wurde zuerst an den Pfahl geführt. Nach Verlesung des Todesurteils verließ Pfarrer Tillmann den Platz. Die tödliche Salve kam aus 24 Gewehren. Der zweite Delinquent, Dieter Frosien aus Berlin-Schöneberg, wurde herbeigeführt. Auch ihm stand der Stotzheimer Pfarrer bis zu letzten Minute bei.
Dann war alles vorbei. Der Offizier zog den Revolver, zwei Schüsse, dann stellte der Regimentsarzt den Tod der beiden Soldaten fest. Landser schaufelten die Gräber am Schienenstrang bei Rheder zu. Pfarrer Tillmann sorgte dafür, daß die Exekutierten nicht einfach verscharrt wurden, wie es vorgeschrieben war, sondern daß sie eine würdige Ruhestätte am Waldesrand bekamen.
Die Rundschau-Journalistin Ruth Vieth bestätigte, daß sich Angehörige von Dieter Frosien - trotz aller Nachforschungen - nicht gemeldet haben. Verwandte von Helmut Pundt jedoch kamen nach dem Kriege jedes Jahr.