Ein Mahnmahl für Euskirchener Juden

aus: Euskirchener Wochenspiegel vom 07.11.2001 von Hans-Dieter Arntz
20.09.2008
mahnmal

Ein Mahnmahl für Euskirchener Juden
(Foto H.-D.Arntz)

Regionalhistoriker Hans-Dieter Arntz berichtet über die langwierige Entstehungsgeschichte des Mahnmals für ermordete Juden „...weil das Grundstück dann ohne den angestrebten Wert wäre“.

Die Geschichte der Euskirchener Synagogen-Gemeinde ist ein wesentlicher Teil der Stadtgeschichte. Von ihr gingen kulturelle und politische Impulse aus; Auswirkungen reichen bis in die Gegenwart.

Während noch im Jahr 1835 auf dem Marktplatz eine schmutzige und fast eingefallene Scheune als jüdisches Bethaus diente, konnte 1856 eine Synagoge auf der Annaturmstraße bezogen werden. Am 19. Mai 1886, dem Buß- und Bettag, brach gegen 12 Uhr in der Scheune des Nationalökonomen Nagelschmitz Feuer aus, das sich in rasender Geschwindigkeit ausbreitete. Innehalb einer Viertelstunde wurde der große Häuserkomplex zwischen Kirchplatz, dem Kirchwall, der Baumstraße und der Annaturmstraße zum Zentrum des größten Brandes der Stadt. Im Buch „JUDAICA“ ist nachzulesen, wie Juden und Christen anschließend gemeinsam bemüht waren, ihre Stadt wieder aufzubauen. Gemeinsam wurde am 26. August 1887 auch die Einweihung der „größten Synagoge“ der Voreifel gefeiert.

Tage vorher publizierte die „Euskirchener Zeitung“: „Die Bewohner werden höflichst gebeten, durch Beflaggen der Häuser dieses Fest zu verherrlichen! Die Einweihung ist nach Auffassung der Regionalhistorie der Höhepunkt im Dasein der jüdischen Gemeinde. Auch später wurde die Integration der Juden in die Einwohnerschaft der Kreisstadt nie mehr so deutlich.

Mit dem Aufkommen des Nationalsozialismus änderte sich auch in Euskirchen das Verhältnis zu den jüdischen Mitbürgern. Am 10. November 1938 drangen etwa 30 bis 35 meist stadtbekannte SA-Männer aus Euskirchen in die Synagoge ein. Diese Nationalsozialisten verhinderten nicht, dass drei auswärtige Westwall-Arbeiter das Gotteshaus gegen 15 Uhr in Brand steckten. Viele Dokumente belegen, dass sich die Euskirchener nach der „Reichspogromnacht“ kaum um die jüdischen Mitbürger kümmerten.

Auch nach dem 2. Weltkrieg war der Stadtrat nicht bereit, vergangenes Unrecht einzugestehen. Erst der britische Besatzungssoldat Arthur Isdale, als Arthur Israel jüdischen Glaubens in Euskirchen geboren, setzte neue Maßstäbe. Er ließ nicht nur den jüdischen Friedhof wieder instandsetzen, sondern auch einst jüdischen Besitz vom Katasteramt erfassen und die Täter der „Kristallnacht“ vorladen und verhaften. Am 4. Juli 1952 äußerte die Kölner Synagogen-Gemeinde erstmals den Wunsch nach einem „Mahnmal für ermordete Juden“. Die Stadtverwaltung reagierte mit Verspätung, aber zustimmend. Ein Sandstein aus dem Rathaus-Abbruch sollte für das Denkmal verwendet werden.

Wenn in den nächsten Tagen – gemeint ist der 9./10. November 2001 – die Euskirchener ihrer einstigen jüdischen Mitbürger gedenken, dann wissen die meisten nicht, dass sie auf dem erhalten gebliebenen Keller der Synagoge stehen, einschließlich der kulturell wertvollen Mikwe, dem rituellen Frauenbad. Die Ratsherren wissen vielleicht nicht, dass ihre Vorgänger am 27. Januar 1954 vom Vertreter der jüdischen Interessengemeinschaft in Deutschland, Moritz Goldschmidt, abgekanzelt wurden. Sie hatten weder für die versprochene Gedenktafel auf dem Synagogen-Grundstück, noch für den avisierten Findling auf dem jüdischen Friedhof gesorgt. Drei Tage später beruhigte der damalige Stadtdirektor die Synagogen-Gemeinde von Köln-Ehrenfeld: „Eine Gedenkplatte soll am Synagogen-Grundstück auf der Annaturmstraße baldigst angebracht werden.“ Dem stimmte der Haupt- und Personalausschuss am 11. Februar 1954 jedoch nicht zu und empfahl die Anbringung einer Gedenktafel am jüdischen Friedhof. Die Begründung des Stadtrates sorgte für Verwunderung bei den Kölner Juden: „Es war die Auffassung des Ausschusses, von einer Anbringung der Gedenktafel am Synagogengrundstück abzusehen, weil das Grundstück alsdann für die Kreisstadt praktisch ohne den angestrebten Wert wäre.“

Trotz vieler Versuche war der Euskirchener Stadtrat lange nicht bereit, in der dargestellten Form der jüdischen Mitbürger zu gedenken. Erst 1980 rief der Zeitungsartikel „Die Juden in Euskirchen vergessen?“ ein großes Echo hervor, das sich in vielen Leserbriefen äußerte. Nun wurde plötzlich mit Unterstützung aller im Rat vertretenen Parteien ein Gedenkstein in Auftrag gegeben, der am 3. Mai 1981 in einer würdigen Feier auf dem ehemaligen Synagogengrundstück an der Annaturmstraße enthüllt wurde.

Der Stein mit der Aufschrift „Unseren jüdischen Mitbürgern, den Opfern der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft 1933 bis 1945“ trägt die Abbildung der Menorah, des siebenarmigen Leuchters als nationales Wahrzeichen Israels, das an die Erschaffung der Welt in sieben Tagen erinnert. Es könnte sein, dass am 10. November 2001 vier ältere Damen und Herren an der angekündigten Gedenkfeier teilnehmen. Sie wurden als Juden in Euskirchen geboren – von der Stadtverwaltung aber nicht eingeladen. Offenbar dachte man nicht an ihre mögliche Existenz.

 

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Trotz Verbot - Die Euskirchener Feuerwehr versuchte,
den Synagogenbrand zu löschen.
(Repro: H.-D. Arntz)

Die brennende Kuppel des jüdischen Gotteshauses. Am 10. November 1938 hatten zwei Westwall-Arbeiter hier unter den Augen der Nazis Feuer gelegt.
(Repro: H.-D. Arntz)

 

Leserbrief von Hans-Dieter Arntz an die Kölnische Rundschau, Lokalteil Euskirchen, vom 18. März 1980

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